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HANDLUNGSFELD: RESILIENZ

Geschäftsmodelle der Zukunft setzen auf Kreativität und Kontext

Dr. Olaf Meier & Lena Papasabbas,
Zukunftsinstitut Frankfurt

 

Auf jede Krise folgt eine Phase der Adaption. Nicht selten waren es Krisen, die einen neuen Mainstream des Denkens und somit die Basis für ein neues System schufen. Einer so tiefgreifenden Krise wie der Corona-Pandemie folgt eine ebenso tiefgreifende Veränderung des Wirtschaftssystems. Genauso schafft die Klimakrise neue Grundbedingungen und eine neue Handlungsmoral für wirtschaftliches Denken und Handeln. Beides bereitet den Boden für eine neue Art des Wirtschaftens. Sie ist geprägt von glokalen Strukturen, dem progressiven Zusammenspiel zwischen realer Welt und digitaler Technik, dem Bewusstsein für größere Zusammenhänge – und von Kreativität, welche all dies ermöglicht und befördert.

Resilienz statt Effizienz

Die Hohepriester der Wirtschaft, die Beraterclans in ihren Consultingmaschinen, haben die gesamte Wirtschaft über Jahrzehnte auf Effizienz getrimmt. Es ist kein Wunder, dass sie ihren Kunden nun in der Krise raten, sich auf ein „Wieder-Hochfahren“ vorzubereiten. Doch die Erkenntnis der eigenen Verwundbarkeit führt in immer mehr Unternehmen zu einem neuen Denken: weg von der Effizienz, hin zur Resilienz. Die Fähigkeit, sich adaptiv auf wandelnde Umweltbedingungen einzustellen, wird zur primären Managementprämisse. Denn wie für das Gesundheitssystem gilt für Unternehmen: Sind sie am Anschlag unterwegs, so sind sie vielleicht effizient – aber eben nicht langfristig überlebensfähig. Beratergetriebene Unternehmensführung hat in vielen Unternehmen zur Steigerung der Effizienz geführt, mit Cost Cutting und Prozessen am Rande des Möglichen als Quellen des Profits. Diese Kultur der Effizienz ist durch Corona an ein Ende geraten, da sie sich nur auf endliche Spiele und Engpässe bezieht. Resiliente Unternehmen hingegen bleiben beweglich und passen sich auch in Krisen bestmöglich an. Unternehmer*innen, die in der Post-Corona-Ökonomie, also der Next Economy, erfolgreich sein wollen, vertrauen daher zunehmend auf Prinzipien, die auf dem Wissen um Komplexität basieren. Dieser Wandel läutet eine lange Phase des Lernens in Organisationen ein. Die Next Economy bringt ein vitales, glokales Netzwerk von Unternehmen hervor, die sich aktiv an der Entwicklung der Umwelt und der Gesellschaft beteiligen. Technologien verlieren ihre Zukunftsaura und werden als alltägliche Unterstützer dieser Entwicklungen eingesetzt.

Regionale Value Networks

Vieles, was vor der Pandemie bereits in progressiven Nischen vorhanden war, diffundiert derzeit in den Mainstream. Neue Strukturen etablieren sich, Innovationen werden sichtbar und beginnen zu wirken. Aus Prototypings entwickeln sich reale, ganzheitliche Angebote und andersartige Wachstumspfade, die das Zeitalter des Postwachstums einläuten. Neue Akteure wie Social Businesses, Start-ups, Genossenschaften, Städte, NGOs, Verbände usw. agieren meist real-digital und sind glokal aufgestellt. Glokal, das bedeutet: Die Wirtschaft wird sich in vielen regionalen Netzwerken stärken und ihre Verbindung zum Globalen reflektierter betreiben.

Es geht dabei nicht um den Rückzug ins Regionale, sondern um den Ausbau regionaler Innovations- und Wirtschaftskreisläufe mit überregionaler, vielleicht sogar globaler Anbindung. Auch Großkonzerne werden das Nearshoring, das Verlegen von Unternehmenstätigkeiten ins nahe Ausland, forcieren und regionalere Value Networks bilden – das Value Network beerbt die Value Chain, die auf Effizienz getrimmt ist und dem Profit dient, aber die Resilienz verringert. In der Phase der Adaption steht hingegen die Resilienz im Vordergrund: Es geht um krisenfestes, ganzheitliches Wachstum. Corona ist hier nur ein Verstärker von Entwicklungen, die bereits in den Startlöchern standen. Das steigende Umweltbewusstsein und die globalen Proteste der jungen Generation Global haben ein neues Nachhaltigkeitsparadigma bereits etabliert, das über die nächsten Jahrzehnte seine Wirkung entfalten wird. Gestützt wird der Prozess der Glokalisierung durch das Ankommen im real-digitalen Alltag: Nach dem Crashkurs im Online-Working hat sich das Digitale endgültig aus der Zukunft in die Gegenwart verlagert.

Kontextsensible Geschäftsmodelle

Gleichfalls entwickeln sich Unternehmen weiter, indem sie ihr Verständnis von Geschäftsmodellen erweitern. Neben dem reinen Fokussieren eines Marktes bilden neue Wirtschaftsprinzipien sowie die Gesellschaft selbst den Rahmen für Entwicklungsmöglichkeiten. Solange man die Gesellschaft, den Menschen und die Natur nicht als Teil des eigenen Unternehmens und vice versa betrachtet, werden Strategien massiv von kurzsichtigen finanziellen Interessen bestimmt – ein Luxus, den sich noch viele Managementlehren leisten, die auf der herkömmlichen Betriebswirtschaftslehre fußen. Radikal moderne Unternehmen dagegen beziehen die großen Kontexte implizit mit ein.
In der Krise zeigen sich die Grenzen von Geschäftsmodellen, die kontextlos aus der klassischen BWL gedacht wurden. In der Next Economy wird permanente Anpassung zum Regelfall – selbst im Best-Case-Szenario. Die Fokussierung auf Zahlen und lineare Ketten greift zu kurz, weil diese nur unterkomplex abbilden, was in und um das Unternehmen geschieht. Die Frequenz der Störungen wird höher – und damit eine mehrjährige Planung unmöglich. Wirtschaftliches Handeln erfordert künftig also, immer auch die Kontexte Gesellschaft, Mensch und Natur einzubeziehen. Im strategischen Alltag der meisten Unternehmen ist das längst spürbar. Wer hat noch keine Strategie in Sachen Diversity oder Corporate Social Responsibility (Gesellschaft)? Dazu kommen jetzt verstärkt der „Faktor“ Mensch (Gesundheit und Ernährung) und die Natur (Klima, Epidemien) – beides wird zum Pflichtprogramm in der strategischen Ausrichtung. Deshalb formieren sich in der Next Economy rasch Geschäftsmodelle mit einem größeren Kontextbewusstsein.

Das gestiegene Kontextbewusstsein in der Wirtschaft zeigt sich auch an der zunehmend aufkommenden Wirkultur. Es entstehen neue genossenschaftliche Verbünde – Autorengemeinschaften, Technologiekollektive, regionale Handelsstrukturen. Auch Unternehmen, die schon per Gründung soziale Zwecke verfolgen, werden an Kraft zulegen: Social Businesses, deren Ziel ein profitables Geschäftsmodell mit gemeinnützigem Zweck ist. Die Zahl solcher Organisationen wächst – ebenso wie ihre wirtschaftliche Bedeutung. In Krisenzeiten wird die Purpose-Identifikation – die Ausrichtung des Unternehmens am Wohl der vielen – deutlich wichtiger. Sie gibt Orientierung, motiviert und hält zusammen.

Wirkung statt Wachstum

Das Wachstum von Zahlen ist nur mehr eine Wachstumsdimension von vielen. Die auf Maximierung von Wachstum fixierte klassische Ökonomie ist in schweres Fahrwasser geraten und kommt in Teilen zum Erliegen. In der Wirtschaft von morgen erlangt Wachstum eine neue Qualität: Befreit von rein ökonomischen Perspektiven entsteht eine neue Dimension des Wirtschaftens und gesellschaftlicher Wertschöpfung. Sie adressiert die ganze Fülle wechselseitiger wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Abhängigkeiten, aus denen sich neue Wertschöpfung erzielen lässt. Unternehmen, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen, müssen jetzt die Weichen stellen, um die Potenziale der Next Economy zu erschließen.

Kreativität

Wie weiter oben im Kapitel zu den Megatrends bereits ausgeführt, ist Kreativität die maßgebliche Kulturtechnik, die Menschen – und das heißt auch Wirtschaft und Gesellschaft – hilft, aus krisenhaften Situationen Neues zu entwickeln. Wenn es um eine neue Art des Wirtschaftens geht, meint Kreativität nicht die Kunstsammlung einer Bank oder den Design-Thinking-Workshop eines Verkehrsunternehmens, sondern eine fundamentalere Dekonstruktion des Gewohnten. Damit das in der Wirtschaft stattfinden kann, muss sie sich öffnen, sich dem Anderen und Neuen aussetzen, Austausch und Reibung ermöglichen. Das kann geschehen, indem direkte räumliche Nachbarschaft zu Kreativen hergestellt wird, die dann aber auch gelebt werden muss. Und es kann in den Köpfen der Menschen geschehen. Wenn Menschen in Unternehmen sich öffnen für eine neue Art des Wirtschaftens, werden sie zu Kreativität gezwungen – und automatisch kreativer.

Dabei darf sich die Wirtschaft aber nicht darauf verlassen, dass jede*r Einzelne aus sich selbst heraus ausreichend kreative Kraft entwickelt. Als Inspiration und starken Motor dieses kreativen Vermögens benötigen Wirtschaft und Gesellschaft eine lebendige kreative Szene vor Ort. Nach wie vor ist die Attraktivität von Städten stark an ihr kulturelles Angebot geknüpft. Ganz unabhängig von der Frage, wie stark die Kreativwirtschaft einer Stadt ist, so ist auch die Stärke der kreativen Szene einer Stadt direkt relevant für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Das gilt umso mehr in der Zukunft, die stärker von Adaption und Resilienz geprägt sein wird als die vergangenen Jahrzehnte.

Und Kreativität braucht vor allem eins: Freiraum. Echte Kreativität entsteht in Freiräumen. Neben alternativen Finanzierungsmöglichkeiten wie Crowdfunding kann ein wie auch immer geartetes Grundeinkommen solche Freiräume im Alltag und in den Köpfen von Menschen schaffen. Doch nicht nur mentale Freiräume sind unbedingt nötig, um Kreativität zu entfesseln, sondern auch reale Räume, Orte und Strukturen, in denen kreative Prozesse stattfinden können – ohne unter dem Druck einer unmittelbaren Ökonomisierbarkeit ihres Ergebnisses zu stehen, wie es in Kreativitätsworkshops beispielsweise der Fall ist. Diese Freiräume zu schaffen entscheidet darüber, wie kreativ ein Individuum, ein Unternehmen oder eine ganze Stadt sein kann.

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Manuela Schiffner

Manuela Schiffner
Leiterin Kompetenzzentrum Kreativwirtschaft

+49 69 212 36213
manuela.schiffner(at)frankfurt-business.net